Will man bei der CMD bildgebende Verfahren bemühen, so entscheidet darüber nicht deren technische Machbarkeit, sondern, inwieweit dadurch klinische Entscheidungen ermöglicht werden. Die Bildgebung ohne ionisierende Strahlen (MKG) ist dabei zu aufwändig, um als Screening in Frage zu kommen, während die Anwendung von Röntgenstrahlen im Einzelfall im diagnostischen Vorteil begründet sein muss, der dadurch erzielbar ist. Hinzu kommt, dass, wie bereits beschrieben, die CMD meist in Strukturen beheimatet ist, die sich der Bildgebung entziehen und die Kiefergelenke selbst in der Regel eher eine sekundäre Rolle spielen, in der bestenfalls Auswirkungen zum Vorschein kommen, weniger häufig hingegen Ursachen.
Eine weitere Problematik ist die spezifische Auswertung solcher Bildgebungen. MKG-Geräte haben den großen Vorzug, auch Weichgewebe abbilden zu können, aber sie stellen einen derart hohen Kostenfaktor dar, dass sie nur in radiologischen Fachpraxen zum Einsatz kommen. Wenn sich jedoch nicht einmal CMD-Spezialisten darüber einig sind, was die CMD wirklich genau ist und wie sie sich von der gesunden Funktion abgrenzt, wie soll da ein Radiologe spezifische Fragestellungen beantworten können? Er muss allen Gelenken und Strukturen im Körper die gleiche Aufmerksamkeit schenken, wie soll er sich da in ein solches Spezialgebiet einarbeiten und wer soll ihm diese Fachkenntnis vermitteln, wenn selbst Dozenten untereinander uneins sind? Die Auswertung durch den Radiologen bleibt daher notgedrungen auf allgemeine Bewertungen der Struktur begrenzt. Daraus erwächst die Motivation für die Fachpraxis, gewisse bildgebende Maßnahmen in eigener Regie durchzuführen, denn der spezialisierte Behandler weiß selbst am besten, welche Fragestellungen er dadurch zu klären sucht.
Die Anschaffung eines Gerätes alleine ist jedoch keine Rechtfertigung für dessen Einsatz, besonders, wenn dabei ionisierende Strahlen auf den Patienten einwirken. Bevor man bei einem CMD-Patienten eine Röntgenaufnahme anfertigt, sollte eine spezifische Fragestellung vorliegen, die dadurch beantwortet werden kann. Solche Indikationen können sein:
- Ausschluss von anderen somatischen Schmerzquellen, wie pulpäre Irritation, Abszessbildung, chronische Entzündungen, raumfordernde Neoplasmen etc.
- Ausschluss von pathologischen Konturveränderungen in den Kiefergelenken (Exostosen, Zysten, etc.).
- Bewertung der Kondylstellung im Schlussbiss (z. B. Kompressionsstellungen nach coronal oder retral).
- Bewertung möglicher struktureller Asymmetrien (z. B. in den Kiefergelenken) im Zusammenhang mit beobachteten funktionellen Asymmetrien.
Bei dieser Aufzählung vermisst man die Darstellung der Gelenkbewegung, bzw. -stellung bei offenem und geschlossenem Mund. Auch wenn diese bei vielen Röntgengeräten als Standardprogramm integriert ist, ist die Indikation hierfür im Sinne des Strahlenschutzes mehr als fragwürdig. Die Translation der Gelenkkondylen kann durch die einfache Palpation ohne Einwirkung von ionisierende Strahlen mindestens ebenso gut erfasst werden und durch den Einsatz einer axiographischen Aufzeichnung gar noch mit ungleich höherer Präzision und Aussagekraft, weil nicht lediglich zwei Stellungen dargestellt werden, sondern der Verlauf einer Bewegung.
Die PSA (Panorama Schichtaufnahme) zählt hierbei als Standardbildgebung1. Jedoch muss im Licht der vorgestellten Indikationen auch diese Einstufung hinterfragt werden. Lediglich die erste Indikationsstellung wird von der PSA wirklich erfüllt, die folgenden nur unbefriedigend, oder gar nicht und zwar aus folgenden Gründen:
- Da keine paralleles Strahlenbündel zum Einsatz kommen, erfolgt die Bildgebung bei der PSA vergrößert. Der Grad der Vergrößerung ist dabei vom Objekt-Film-Abstand abhängig. Wird der Patient bei der Aufnahme nicht so positioniert, dass seine Kiefergelenke äquidistant zum Film/Sensor stehen, werden sie unterschiedlich groß abgebildet, wodurch unzuverlässige, oder gar keine Aussagen über deren Symmetrie zueinander gemacht werden können.
- Die PSA beruht auf dem Prinzip, dass „bewegte“ Strukturen verwischen, während statische scharf abgebildet werden. Dies wird heute nicht durch die Bewegung der Struktur erreicht (obwohl ursprünglich durchaus mit Bewegungen des Patienten vor einem statischen Strahler experimentiert wurde!), sondern durch den Umlauf des Strahlers samt Film/Sensor um den Kopf des Patienten. Dieser Umlauf erfolgt entlang einer bestimmten Bahn, durch die eine Schicht erzeugt wird, in der Strukturen scharf abgebildet werden. Notgedrungen muss dieser Schichtverlauf so angepasst werden, dass er einem durchschnittlich geformten Zahnbogen folgt. Bei der Anfertigung einer PSA hat man kaum Kontrolle über den Verlauf dieser Schicht, besonders über den Zahnbogen hinaus im Bereich der Kiefergelenke.
Zwar kann man das Kinn des Patienten mit Peilhilfen mittig zum Gerät einstellen, aber weiter posterior hat man keine verlässlichen Referenzen. Sobald jedoch der Schädel nicht fluchtend mit der Midsagittalen positioniert ist, vergleicht man links und rechts unterschiedliche Bereiche der Kiefergelenke miteinander. Vielleicht bemerkt man im rechten Gelenk einen anderen Umriss, als im linken, aber der Unterschied geht lediglich darauf zurück, dass das rechte Gelenk in der Nähe des lateralen Kondylpols geschichtet wurde, das linke hingegen näher am mesialen Pol, wo der Querschnitt größer und runder ist. Hätte man beide Gelenke symmetrisch geschichtet, so fände sich vielleicht gar kein Unterschied! Das Gleiche gilt auch für den Gelenkspalt, der in einem Gelenk in sequenziellen Schichten von mesial nach lateral keineswegs konstant ist.
Die diagnostische Aussagekraft der PSA ist bei der CMD daher sehr eingeschränkt und bietet kaum eine hinreichende Begründung für deren Neuanfertigung. In der Regel liegen solche Aufnahmen auch bereits vor und sollten angefordert werden. Sie können dann hinsichtlich grober Strukturveränderungen oder Konturunterbrechungen in den Kiefergelenken bewertet werden, worin sich deren Aussagekraft bei der CMD-Diagnostik auch bereits weitgehend erschöpft.
Neue Möglichkeiten ergeben sich jedoch durch moderne Entwicklungen bei der digitalen Volumentomografie (DVT). Auch hier stand die Strahlenbelastung des Patienten ursprünglich in in einem ungünstigen Verhältnis zu den erzielbaren diagnostischen Erkenntnissen, aber mit der neuesten Gerätegeneration werden höhere Auflösungen und eine erheblich verbesserte Detailschärfe bei verringerter Flächendosis erzielt, wobei diese Geräte in einem Preissegment liegen, das den Einsatz in der spezialisierten Praxis und damit die Auswertung durch den Spezialisten ermöglicht. Der Vorteil bei der DVT ist die überlagerungsfreie und maßstabsgetreue Darstellung von Strukturen, welche in Einzelfällen eine gut begründbare Indikationsstellung für die Bildgebung bei der CMD-Diagnostik ermöglicht.
1: Zöller E, Neugebauer J: Digitale Volumentomographie in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Quintessenz, Berlin 2013