Zähne gehorchen in ihrer Stellung Kräften, sonst wäre eine Zahnbewegung in der Kieferorthopädie unmöglich. Dennoch ignorierte die Kieferorthopädie in der Vergangenheit zumeist Kräfte, die im Mundraum auf natürliche Weise auftreten und machte für Missbildungen in den Zahnbögen ausschließlich genetische Ursachen verantwortlich. Dass die natürlichen Kräfte im Mundraum meist keine Beachtung finden, ist auch der Grund dafür, dass man am Abschluss einer solchen Behandlung die Frontzähne in der Regel retiniert, also künstlich festhält, indem man sie mit einem eingeklebten Draht verblockt.
Jedoch ist das Kräftespiel im Mund gar nicht besonders kompliziert:
- Wangen und Lippen bewirken eine von außen nach innen gerichtete Kraft auf die Zahnbögen.
- Die Zunge bewirkt eine von innen nach außen gerichtete Kraft auf die Zahnbögen.
Dort, wo diese Kräfte einander ausgleichen, entsteht eine neutrale Zone, in der man Zähne nicht festhalten muss, weil keine Kraft sie bewegt. Sind die Lippen die meiste Zeit über nicht geschlossen, so fehlt ihr Druck auf den Frontzähnen und sie bewegen sich nach vorn. Hat man hingegen eine besonders hohe Spannung in den Lippen ("stiff upper lip“, in England beliebt) und es fehlt der Gegendruck der Zunge, bewegen sich die Frontzähne eher nach hinten. Streckt man beim Sprechen oder gewohnheitsmäßig die Zungenspitze zwischen die Schneidezähne, so werden diese auseinandergedrückt und es entwickelt sich ein „anterior offener Biss“. Drückt man sich hingegen die Zunge ständig zwischen die Seitenzähne, so wird man irgendwann vielleicht bemerken, dass man eigentlich zu weit zubeißen muss, um sie in Kontakt zu bringen, und man hat einen „tiefen Biss“. Dies gilt besonders dann, wenn es bei der Schädelentwicklung während dem Zahnwechsel passiert.
In einer Email wurde mir jedoch kürzlich noch von einem anderen Problem berichtet:
"Seit Längerem drücke ich meine Zunge oben an den Gaumen bzw. an die vorderen Schneidezähne"
Warum würde ein erwachsener Mensch so etwas unwillkürlich tun?
Die wahrscheinliche Möglichkeit ist, dass diese Person ihren Unterkiefer nicht auf den Zähnen abstützen kann oder will, weil im Biss etwas unangenehm ist. Wenn wir schlucken, ziehen Muskeln an unserem Unterkiefer und wir müssen ihn daher irgendwie abstützen. Man kann gerne versuchen, einmal zu schlucken, ohne dabei mit den Zähnen oder der Zunge irgendwo Kontakt zu haben: es geht ganz einfach nicht!
Die natürliche Abstützung ergibt sich auf den Zähnen. Stimmt da aber etwas nicht, sodass wir nicht richtig zubeißen können, ist die nächste Wahl, mit der Zunge gegen den Gaumen zu pressen.
Ob dieser vermutete Zusammenhang wirklich besteht, lässt sich ganz einfach mit einem Bisskissen herausfinden, denn es gleicht Störungen im Biss automatisch aus. Dies war auch so von einer Heilpraktikerin empfohlen worden, und zwar in Form von einem Aqualizer. Jedoch war sich die Person nun unsicher:
Aqualizer oder FreeBite?
Bevor wir uns nochmals der Auswahl von Bisskissen zuwenden, muss eines prinzipiell beachtet werden:
Bisskissen funktionieren nur, wenn Seitenzähne vorhanden sind, welche darauf beißen können!
Prinzipiell kann man hier ein FreeBite Therapiekissen jedoch flexibler einsetzen, denn es kann so zurechtgeschoben werden, dass man mit den Zähnen, die man noch hat, bestmöglich aufbeißt. Mit einem verankerten Bisskissen (Aqualizer, AquaSplint mini, FreeBite comfort) ist das hingegen nicht möglich. Auch wenn man Lücken im Seitenzahnbereich hat, kann man diese mit einem FreeBite Therapiekissen meist besser überdecken.
Im Übrigen verhält es sich mit Bisskissen ähnlich wie mit Schuhen: Welches am besten passt kann man eigentlich nur ausprobieren. Allerdings kann man Bisskissen aus hygienischen Gründen nicht einfach durchprobieren wie Schuhe im Schuhgeschäft, daher in der Folge noch ein paar Tipps:
FreeBites und AquaSplint mini haben eine andere Hülle als Aqualizer. Letztere bestehen einfach aus zusammengeschweißten Nylonfolien, die dünn und flexibel sind und sich daher von Anfang an anschmiegsamer anfühlen. Allerdings werden Aqualizer nach wenigen Wochen platt, wenn die Schweißnaht nicht schon vorher irgendwo aufgeht, und halten daher nicht sehr lange.
FreeBites und der AquaSplint mini haben eine deutlich festere Hülle, die meist auch haltbarer ist. Allerdings kann sich der Aufbiss darauf am Anfang etwas hart anfühlen. Jedoch kaut sich die Hülle im Lauf der Zeit ein und wird deutlich flexibler. Ist der weichere Aufbiss gleich zu Anfang ein wichtiges Kriterium, so hat man gegenwärtig keine Alternative zum Aqualizer.
Den AquaSplint mini gibt es nur mit einer Füllung aus ungiftigen Glycerine und in einer Höhe. Seine Besonderheit ist ein eingelegter Draht, mit dem man seine Form dem Zahnbogen anpassen kann. Allerdings gibt es ihn auch nur in einer Größe, die eher für kleine Gebisse passt.
Beim FreeBite gibt es hingegen eine Auswahl, die zunächst vielleicht verwirrend erscheint. Hier im BiteBlog existiert bereits eine Seite mit Tipps zur Auswahl. Jedoch sei die Quintessenz daraus noch einmal kurz zusammengefasst:
- Hat man mit den vorderen Zähnen zuviel Kontakt und nützt diese vielleicht sogar zu stark ab, so wählt man ein FreeBite Therapiekissen.
- Kommt man auch bei leichten Schließbewegungen gleich mit den Seitenzähnen auf, ohne nachdrücken zu müssen, so kann man den FreeBite comfort wählen.
Der FreeBite comfort ist auf der unteren oder oberen Zahnreihe durch seinen umlaufenden Schlauch verankert und seine Bisskissen sind flach. Meist ist kaum Eingewöhnung erforderlich, jedoch braucht die Hülle etwas, bis sie sich eingekaut hat. Den FreeBite comfort gibt es nur in einer Höhe, jedoch mit zwei Füllungen, als „air“ oder „gel“. Die Meisten bevorzugen die Luftfüllung „air“.
Bei FreeBite Therapiekissen sind die seitlichen Bisskissen etwas keilförmig, um einen besonders guten Kontakt auf den hinteren Zähnen zu vermitteln. Fehlt einem hier die satte Abstützung, so sind sie die beste Wahl. Allerdings reizt dieser sattere Kontakt auf den hinteren Zähnen anfänglich eher dazu, mit den Zähnen auf die Kissen zu pressen, was unerwünscht wäre, weil dies die Kaumuskulatur ermüdet. In diesen Fällen ist es hilfreich, sich schrittweise an diesen satten Aufbiss zu gewöhnen, indem man mit einer kurzen Tragezeit von wenigen Minuten beginnt und diese dann in Schritten jeweils so lange ausdehnt, wie man kein Bedürfnis zum Pressen verspürt. Anfangs hilft es auch, den Unterkiefer in spielerischer Bewegung zu halten, sodass er nicht pressen kann.