Knacken im Kiefergelenk sei unbedeutend, zu dieser Schlussfolgerung gelangen manche wissenschaftliche Studien. Hier ist es aber sehr wichtig zu wissen, in welchem Bezug diese Aussage steht. Wurde womöglich untersucht, welche Schmerzen zusammen mit bestimmten Symptomen auftreten? Tatsächlich muss Gelenkknacken nicht mit Schmerzen verbunden sein, soweit würde das stimmen. Hat deswegen aber Knacken im Gelenk generell keine Bedeutung? Um sich darüber ein Bild zu machen, sollte man verstehen, was dieses Knacken eigentlich ist. Und das soll in der Folge erklärt werden.
Prinzipiell kann man sagen, dass Gelenke umso mehr Geräusche bei der Bewegung von sich geben, je höher der Druck ist, unter dem sie arbeiten. Je mehr ein Gelenk also zusammengepresst wird, während es sich bewegt (man nennt diesen Zustand auch „Kompression“), desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Bewegung im Gelenk nicht weich und flüssig verläuft, sondern vermehrt Reibung und damit auch Geräusche produziert. Dies gilt besonders für chronisch komprimierte Gelenke. Verursacht wird eine solche chronische Gelenkkompression dabei in der Regel durch Verspannungen in Muskeln, welche am Gelenk ansetzen.
Gelenkkompressionen werden meist durch chronische Muskelverspannungen verursacht.
Eine solche Kompression presst also die Gelenkteile aufeinander, wodurch der Gelenkspalt verkleinert wird. Dies trifft auf alle Gelenke im Körper zu, hat beim Unterkiefer aber besondere Auswirkungen, da sich hier die gegeneinander arbeitenden Muskeln (auch „Antagonisten“ genannt) nicht gegenüberliegen, sondern an unterschiedlichen Stellen des Unterkiefers ansetzen. Beißt man zu, so stützen die hinteren Backenzähne den Unterkiefer ab und verhindern eine Kompression im Kiefergelenk, allerdings nur dann, wenn der Biss stimmt. Beißt man nicht zu, aber die Kaumuskeln sind verspannt, so müssen die Muskeln, die den Mund öffnen, umso stärker gegen diese Spannung ziehen, je größer sie ist, und es resultiert eine entsprechend starke Kompression im Kiefergelenk.
Bei den Kaumuskeln liegen Antagonisten einander nicht gegenüber. Daher entstehen bei deren Verspannung Kräfte, die einander nicht ausgleichen und das Kiefergelenk komprimieren. Ein ausgeglichener Biss hilft, solche Kompressionen zu vermeiden.
Sind andere Strukturen den Gelenkteilen zwischengelagert, so kann dieser Druck im Laufe der Zeit dazu führen, dass sie aus dem Gelenkspalt herausgedrückt und verlagert werden. Erfolgt diese Kompression nicht in eine Richtung, welche z. B. die Gelenkkugel geradewegs in die Pfanne drückt, sondern schräg dazu, so kann es auch sein, dass die Kugel ihre Position in der Pfanne ändert, die Gelenkkapsel im Lauf der Zeit ausleiert und das Gelenk dann nicht mehr so stabil geführt wird, wie zuvor.

Das Kiefergelenk des Menschen weist nun einige Eigenheiten auf. Zunächst haben wir am Unterkiefer eine Art Gelenkkugel, genannt „Kondyle“, die hier allerdings die Form einer kleinen Walze hat, und eine Gelenkpfanne, „Fossa“ genannt, die im Schläfenbein liegt. Jedoch sitzt auf der Kondyle des Unterkiefers eine Kapuze aus Knorpel. Diese wird „Diskus“ genannt, obwohl sie keineswegs die Form einer Scheibe hat, wohl deswegen, weil sich dieses Gebilde auf Röntgenaufnahmen im Querschnitt so darstellt. In dieser Kapuze kann sich die Kondyle drehen, aber der Unterkiefer kann sich auch samt Diskus in der Fossa des Schläfenbeins verschieben. Eigentlich haben wir hier also zwei Gelenke aufeinander gestapelt, mit zwei Gelenkspalten. Im unteren findet eher eine Drehbewegung statt, im oberen eine Gleitbewegung. Geführt wird das Ganze durch eine sehr feinfühlige Muskulatur, welche in der Lage dazu ist, die einzelnen Komponenten der Bewegung exakt aufeinander abzustimmen, sodass am Ende die Verzahnung im Biss punktgenau getroffen wird.
Selbst wenn die Verzahnung dazu nicht passt, z. B. seitlich oder nach hinten verschoben ist, oder auf einer Seite zu tief, können diese Muskeln das kompensieren, indem sie den Unterkiefer entsprechend zurechthalten und bewegen. Allerdings ist es dann oft mit der Entspannung vorbei und wir haben eine chronische Verspannung, welche sich nie ganz löst. Und so entsteht eine chronische Kompression im Gelenk und damit eine ständige Fehlbelastung auf dem Diskus. Nun kann es passieren, dass diese Gelenkteile sich nicht mehr harmonisch miteinander bewegen, sondern gegeneinander verschieben – und irgendwann kommt es dann zu Knack- oder Reibegeräuschen. Nur wenn Entzündungen hinzukommen, entstehen dabei auch Schmerzen.

Gegen Ende der 70-er Jahre gelang es dem amerikanischen Zahnarzt Dr. Farrar zusammen mit seinem Freund Dr. McCarty, einem Kieferchirurgen, die Abläufe beim typischen Gelenkknacken zu erklären. Meist knackt es, wenn sich das Kiefergelenk einrenkt. Wenn zugebissen wird, wird der Diskus aus dem Gelenkspalt herausgequetscht, was erst nach längerer Zeit möglich ist, wenn sich seine Form aufgrund der ständigen Fehlbelastung entsprechend abgeflacht hat. Dabei ergibt sich meist ein leises „Flutschgeräusch“, das oft übersehen wird. Wird dann der Mund geöffnet, schiebt die Kondyle den Diskus vor sich her, dieser wird zusammengeknautscht und zur Blockade, bis die Spannung so groß wird, dass er mit einem deutlichen „Popp“ wieder zwischen die Gelenkteile springt (um später beim Zubeißen wieder herauszugleiten). Der Unterkiefer macht dabei in seiner Bewegung einen kleinen Sprung, den man mit geeigneten Geräten darstellen, vielleicht auch selbst spüren kann.

Manchmal findet der Diskus im Gelenkspalt gerade noch Platz, wird jedoch herausgequetscht, sobald sich die Muskelspannung ein wenig weiter erhöht und die Kompression im Gelenk etwas steigt. Dann knackt es gelegentlich, aber nicht immer.
Nun ist es möglich, dass der Diskus irgendwann gar nicht mehr zwischen die Gelenkteile zurückkehrt – dann hört das Gelenk auch auf, bei der Öffnungsbewegung zu knacken. Dies ist dann der Fall, wenn der Bandapparat genügend ausgeleiert ist, sodass die bei der Öffnung erzeugte Spannung nicht mehr ausreicht, um ihn zurück in das Gelenk schnalzen zu lassen. Man könnte meinen, dass es ein gutes Zeichen sei, wenn das Gelenk nun nicht mehr knackt. Beim genaueren Hinsehen zeigt sich dann jedoch, dass dieses Gelenk sich lediglich nicht mehr weit genug bewegen kann, um sich wieder einzurenken. Asymmetrien in der Bewegung werden erkennbar, insofern nur das Gelenk einer Seite betroffen ist. Erfolgen Maßnahmen, welche die Kompression im Gelenk veringern, so ist es hingegen möglich, dass es sich wieder weit genug bewegen kann, um zu knacken. Nicht in jedem Fall ist das Knacken also ein schlechtes Zeichen.
Knacken im Kiefergelenk ist also keineswegs unwichtig, sondern ein Parameter, der zeigt, wie groß die Belastung im Gelenk ist. Wichtig, sowohl bei der Verhütung von Gelenkknacken, als auch bei der Therapie, ist die Abstützung des Unterkiefers, vor allem auf den hinteren Zähnen, den Molaren. Kauen kann man auch ohne Molaren zur Not noch, aber die kleineren Backenzähne sind ungünstig platziert, um einen ausreichend großen Gelenkspalt zu sichern.