Müssen 4 Kanäle sein?

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Beim Myomonitor waren wir an eine mittige Positionierung der Sammelelektrode gebunden – meist im Nacken, direkt unterhalb des Haaransatzes. Schon bald zeigte sich jedoch, dass die TENS-Therapie nicht nur für die Kaumuskeln, sondern auch für die Schulter- und Nackenmuskeln eine hervorragende Wirkung hat und ich begann damit, Elektrodenanlagen zur Muskelentspannung mit niederfrequenten Einzelimpulsen für allerlei Beschwerden am ganzen Körper zu erforschen.

Vor Dekaden litt meine Frau z. B. einam über Monate hinweg an einem Tennisarm. Besuche bei diversen Osteopathen und Physiotherapeuten waren ohne nachhaltige Wirkung geblieben und eines Tages kam ich von einem Vortrag nach Hause, bei dem ich die Muskelentspannende Wirkung von Niederfrequenz-TENS gepriesen hatte, nur um mit ansehen zu müssen, dass es ihr nicht gelang, ein paar Teller zurück in den Wandschrank zu legen, weil ihr Arm in einer bestimmten Stellung verrückt spielte. Die Theorie bei der CMD war, dass nicht Kiefergelenke das Problem sind, sondern deren chronische Kopression durch verspannte Muskeln. Warum sollte das im Ellenbogen anders sein? Im Anatomieatlas suchte ich nach Muskeln, deren Verspannung die Kondyle im Ellenbogen unter Dauerdruck setzen können und nach  etwas Experimentieren waren die 3 Elektroden wie abgebildet platziert. Die Stimulation erfolgte mit einem Myotronics BNS 40, einem Gerät für die Heimtherapie. Nach einer 2-stündigen Stimulation war das Problem verschwunden und ist bis heute nicht mehr aufgetreten!

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Bald zeigte sich, dass kaum ein CMD-Patient nicht auch Verspannungen im oberen Trapezius und in der Nackenmuskulatur hat. Auch hier war die TENS-Therapie außerordentlich effektiv, jedoch verdoppelte sich die benötigte Therapiezeit, wenn man zuerst hier und danach an der Kaumuskulatur stimulieren wollte. Im Elektronikladen ließen wir uns Y-Weichen bauen, sodass wir an jedem der beiden Kanäle zwei Stimulationselektroden anschließen und somit alle vier Muskelpartien gleichzeitig therapieren konnten. Zwar konnten wir zwischen den gesplitteten Litzen nichts regeln, aber die Gewichtung der Stimulation am Trapezius gegenüber der Kaumuskulatur war weniger entscheidend, als an allen vier Stellen therapieren zu können.

Eine Balanceregelung erhöht den Bedienungskomfort vor allem dann, wenn die Amplitude verändert werden soll, ohne die Gewichtung zwischen zwei Kanälen zu verändern – ähnlich der Balanceregelung an einer Stereoanlage. Dies ist wiederum nur dann wirklich notwendig, wenn die TENS-Impulse für die Bewegung des Unterkiefers bei der Bissnahme genutzt werden sollen, denn die asymmetrische Stimulation der Kaumuskulatur könnte zu einer Verfälschung der Unterkieferposition um eine der drei Lageachsen führen (im Sprachgebrauch unserer U.S.-Kollegen meist als „torque“ bezeichnet). Wird das TENS hingegen nur für die Vorbereitung der myozentrischen Bissnahme eingesetzt, wie das heute vermehrt üblich ist, so ist kommt der Balancierung der Intensität keine entscheidende Bedeutung mehr zu.

Seit einiger Zeit gibt es mit dem J5 Myomonitor ein voll regelbares 4-Kanal-Gerät auf dem Markt, das diese Aufgabe professionell löst, indem es mit zwei Amplituden- und zwei Balancereglern ausgestattet ist. 4-Kanal-Geräte gibt es inzwischen aber von diversen Herstellern und es stellt sich die Frage: „Muss man das unbedingt haben, sind 4 immer besser als 2?"

Zum einen ist zu beachten, dass es sich dabei oft um „2x2“ Geräte handelt, bei denen nur die beiden linken und rechten Kanäle jeweils einen Amplitudenregler aufweisen, also nicht alle vier Kanäle getrennt regelbar sind. Zum anderen sollte man auch nicht vergessen, dass sich bei einem 4-Kanal-Gerät der Verbrauch von Elektroden verdoppelt!

Sind für jeden Kanal zwei Litzen aus dem Gerät geführt (meines Wissens bilden Myomonitor und BNS 40 hier die einzigen Ausnahmen), so hat man auch bei einem 2-Kanal-Gerät insgesamt 4 Elektroden zur Verfügung. Stimuliert das Gerät polbetont mit biphasisch asymmetrischen Impulsen, so fällt zwar die Muskelkontraktion unter der Sammelelektrode (Steckerfarbe rot) spürbar schwächer aus, als unter der negativen Stimulationselektrode (Steckerfarbe blau), aber sie ist dennoch vorhanden und kann für die Therapie genutzt werden. Hierfür braucht man lediglich die  Sammelelektroden in Stimulationselektroden umzuwandeln, indem man sie an einem Ort auflegt, wo auch sie Muskelkontraktionen stimulieren, z. B. auf dem oberen Bauch des Trapezius. Meist hat man dabei auch gleich eine annehmbare Gewichtung, bei welcher der Trapezius bei der für die Kaumuskulatur nötigen Intensität nicht übermäßig stark kontrahiert.

Liefert das Gerät biphasisch symmetrische Impulse, so gibt es keine Polarität und die Stimulation ist unter allen Elektroden gleich stark. Nun mag es vorkommen, dass die Amplitude, welche für die Kontraktion der Kaumuskulatur benötigt wird, den Trapezius zu gar zu heftigen  Kontraktionen stimuliert und man kann sich behelfen, indem man dort einfach die Elektroden suboptimal auflegt, also um ein oder zwei Fingerbreit nach außen verschoben. 

Jedenfalls lassen sich auf diese Weise auch mit einem gewöhnlichen 2-Kanal-Gerät vier Muskelgruppen gleichzeitig zu stimulieren und zwar ohne jeden Mehrverbrauch an Elektroden! 

Jedoch ist die Stimulation von vier statt zwei Muskelgruppen nur ein Aspekt von 4-Kanal-Geräten. Ein anderer ist die Möglichkeit, unterschiedliche Stimulationsmodi zu mischen, z. B. die höherfrequente Stimulation von Reflexpunkten mit der Ohrklammer und die niederfrequente Therapie der Kaumuskulatur. Oder es lässt sich ein zeitlicher Ablauf der Kanäle zueinander programmieren, z. B. mit seitenalternierender Stimulation, oder sequenziellen wellenförmigen Muskelkontraktionen, die dem Effekt einer Massage angeblich näher kommen.

Diese neuen Möglichkeiten sind einigermaßen komplex und bedürfen erst noch der gewissenhaften Erforschung dahingehend, ob sie tatsächlich eine Verbesserung der vorbereitenden Muskelentspannung für die Myozentrik ermöglichen.

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