Wozu ein Bisskissen für die Zähne?

Die Zähne zusammen beißen - in der Regel ist das ein Akt, an den man keinen einzigen Gedanken verschwendet. Und das ist auch gut so.

Denn dadurch, dass unsere Zähne steinhart und kompliziert geformt sind, ist das punktgenaue und gleichzeitige Zusammenfügen aller Zähne in unserem Mund in Wirklichkeit eine Meisterleistung der Feinmotorik und Koordination. Nur weil unser Körper dieses Kunststück ungezählte Male jeden Tag fehlerfrei bewerkstelligen kann, brauchen wir uns nicht bewusst darum kümmern - das Zusammenbeißen der Zähne erscheint die natürlichste und einfachste Sache der Welt!

CMD-Patienten können aber davon ein ganz anderes Liedchen singen. Ist dieser Vorgang erst einmal genügend gestört, so dass man ihn bewusst erlebt, dann kann es schwierig werden, zu seiner früheren Unbekümmertheit mit dem Biss zurück zu finden. Und dann kann es eine große Hilfe sein, wenn man die Zähne nicht fügen muss - weil ein Wasserkissen dazwischen liegt.

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Wem diese Zeilen bekannt vorkommen, der hat das Büchlein gelesen, das ich 2013 verfasst habe und das dem Aquasplint mini beiliegt, wenn er von MediPlus bezogen wird. In der Tat liegt der größte Nutzwert solcher Wasserkissen, die ich auch gerne kollektiv als „Bisskissen“ bezeichne, da es sie inzwischen nicht nur mit Wasserfüllung gibt, nicht unbedingt in ihrer schmerzstillenden Wirkung, die, will man mancher Werbeaussage Glauben schenken, der einer Schmerztablette ähnelt. Zwar mag es in manchem Fall auch das geben, aber der eigentliche Wert, den Biss vorübergehend abzupuffern liegt darin, dass man so lernen kann, die Zusammenhänge bei einer CMD zu verstehen. Und zwar nicht theoretisch nach irgendwelchen Studien, sondern individuell im Einzelfall.

Mit Bisskissen lässt sich erproben, was geschieht, wenn der Unterkiefer nicht an einen bestimmten Punkt bewegt werden muss, um im Okklusalkontakt Abstützung zu finden, sondern wenn er diese Abstützung in jeder beliebigen Position finden kann. Und es lässt sich herausfinden, ob dies auch Auswirkungen darauf hat, wie der Unterkiefer gehalten wird, wenn nicht zugebissen wird.

Immer wieder werde ich gefragt „was soll eine Aufbiss-Schiene eigentlich helfen, wenn ich sie nachts trage? Da beiße ich doch gar nicht zu, sondern habe vielleicht sogar den Mund offen“! Wie ich in meinem Buch „CMD: Kein Schicksal!“ ausführlicher erklärt habe, gibt es beim Biss zwei Aspekte, die wichtig sind:

  1. Was muss ich tun, um die Zahnreihen überall in Kontakt zu bringen?
  2. Wie halte ich meinen Kiefer die restliche Zeit über, um die unter 1. beschriebene Position möglichst leicht treffen zu können?

Wie wir beißen beeinflusst auch, wie wir unseren Unterkiefer halten, wenn wir nicht beißen - man nennt diese Position auch die „Ruhe-Schwebe“ des Unterkiefers. Und Muskelspannungen, die notwendig sind, um eine bestimmte Ruhe-Schwebe einzuhalten (von der aus wir unseren Biss am leichtesten treffen können), begleiten uns andauernd, nicht nur, wenn wir beißen. Wird der Unterkiefer auf einem Bisskissen in einer anderen Position abgestützt, als im Biss auf den Zähnen, so ändert sich auch seine Ruhe-Schwebe. Eine seitlich verschobene Kieferhaltung kann sich begradigen, ein nach hinten verschobener Kiefer sich neutral stellen, usw. All diese Änderungen kann man beobachten, während man gleichzeitig sieht, wie die Symptome auf das Tragen des Bisskissens reagieren. Noch bevor man teuere Messungen oder Bildgebungen durchgeführt hat, ergeben sich so eine Fülle von Informationen für Zahnarzt und Patient, welche die weitere Behandlung einer CMD erheblich vereinfachen können.

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