Ausweichregeln auf Binnenseen

An einem warmen Wochenende ist auf unseren Binnenseen oft Einiges los. Badegäste treiben auf ihren Luftmatratzen, SUP-Boarder paddeln herum, wie auch Paddel- und Ruderboote aller Art, Hobbyfischer halten ihre Angeln ins Wasser, Segler gönnen sich einen Törn auf dem See auf ihren Jollen und Yachten und zwischen all dem ziehen Passagierschiffe und vielleicht auch Fähren ihre Kreise. Abgesehen von Letzteren ist sich oft die Mehrzahl derer, die sich da auf dem Wasser tummeln, der geltenden Ausweichregeln nicht bewusst.

Daher sollen hier kurz die Regeln erklärt werden, die für Segler auf unseren Binnenseen am wichtigsten sind, wobei zu beachten ist, dass es lokal auch Ausnahmeregelungen geben kann:

Wer muss einem Boot unter Segeln ausweichen?

Boote unter Segeln nutzen den Wind als Vortrieb und sind daher nicht uneingeschränkt manövrierfähig, sie können nicht gegen den Wind fahren und gehorchen bei Flaute auch nicht aufs Ruder. Daher müssen ihnen prinzipiell ausweichen:

  • Boote, die unter Motor fahren, auch Segelboote
  • Ruder- und Paddelboote
  • Sportgeräte wie Kite- oder Windsurfer, SUPs etc.
  • Spielgeräte wie Luftmatratzen.

Wem muss ein Segelboot ausweichen?

  • Linienschiffen
  • Berufssschiffahrt, wie Transport- und Rettungsschiffen, mancherorts auch Berufsfischern
  • Anderen Segelbooten, wenn sie Wegerecht haben.

Das Wegerecht zwischen Segelbooten ist nach Kurs und Windrichtung geregelt und die erste Regel betrifft Boote, die sich auf unterschiedlichen Kursen begegnen, sodass sie den Wind von unterschiedlichen Seiten haben.

Backbord Bug vor Steuerbord Bug

 https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1051303

Mit „Bug“ bezeichnet man den vorderen Teil eines Bootes. Wikinger steuerten ihre Schiffe mit einem Brett, einem „Bord“, das in Fahrtrichtung auf der rechten Seite des Schiffes ins Wasser tauchte. Diese Seite wird bis heute daher als „Steuerbord“ bezeichnet. Die Backbord-Seite war die, welche hinter dem Rücken („Back“) des Steuermanns lag, in Fahrtrichtung also die linke Seite des Schiffs.

Auf Backbord Bug liegt ein Segelboot dann, wenn es den Wind von der rechten Seite hat, auf dem Steuerbord Bug, wenn er von links kommt. Kreuzen sich zwei Segelboote mit unterschiedlichen Kursen, so hat das, welches auf dem Backbord Bug liegt, das Wegerecht und das auf dem Steuerbord Bug liegende muss ausweichen. Dabei muss es so ausweichen, dass dabei keine Kollisionsgefahr entsteht. Bei Kursen zum Wind geschieht dies daher meist durch Abfallen des ausweichpflichtigen Boots, bei Kursen vor dem Wind durch anluven.

Lee vor Luv

Die zweite Regel betrifft Boote, die auf dem gleichen Bug liegen, deren Kurse sich aber dennoch kreuzen. Das kann z. B. sein, wenn ein Boot mit halbem Wind segelt (der Wind kommt von querab) und ein anderes am Wind (der Wind kommt schräg von vorn), beide dabei auf dem gleichen Bug liegen, und sich das Boot mit Halbwindkurs auf der dem Wind zugewandten Seite des Boots befindet, das am Wind segelt. Dieses nähert sich nun dem anderen Boot von der dem Wind abgewandten (Lee-) Seite her, sodass eine Kollision droht. Ausweichpflichtig ist hier das Boot in Luv. Hierfür kann es z. B. kurz in den Wind schießen, um das andere Boot vorbeizulassen.

Ausweichpflichtige Boote MÜSSEN ihren Kurs ändern

Boote mit Wegerecht MÜSSEN Ihren Kurs beibehalten

Führt ein Boot mit Wegerecht durch eine Kursänderung eine Kollision herbei, so trägt es dafür die Verantwortung, denn der Ausweichpflichtige muss sein Manöver planen können. Nur als Mittel der letzten Wahl darf ein Boot mit Wegerecht eine drohende Kollision durch eine Kursänderung abwenden. Daher sollten ausweichpflichtige Boote ihr Ausweichmanöver nie erst im letzten Moment einleiten, sondern dem Boot mit Wegerecht frühzeitig durch eine Kursänderung ihre Intention signalisieren.

Bei Regatten kommt es immer wieder zu Kollisionen, wenn Boote an der Wendeboje um jeden Meter kämpfen und hier entscheidet sich dann die Haftungsfrage nach diesen Ausweichregeln. Beim Hobbysegeln hat man aber keine Veranlassung dazu, irgendwelche Risiken einzugehen und tut gut daran, anderen Booten fernzubleiben, besonders solchen, bei denen man den Eindruck hat, dass sie von jemandem mit wenig Erfahrung gesteuert werden!


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