Der Win&Win Black Wolf

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Black Wolf
Black Wolf 1

Die koreanische Marke Win&Win ist auf jeder Olympiade vertreten, aber ganz neu beim traditionellen Bogenschießen. Auf den Vorgänger vom Black Wolf mit dem nichts-sagenden Namen „RCX-17“ war ich durch ein Video mit Jim von Merlin Archery gestoßen, der damit eine Gruppe schoss, die so eng war, dass jeder Schaft praktisch seinen Vorgänger berührte. „Irgend etwas stimmt nicht, ich fühle nichts, der der Bogen liegt leblos in der Hand!“. Perfekte Werbung durch subtile Untertreibung. In den Kommentaren sieht man die Lawine an Kauflustigen, die auf diese Weise generiert wurden. Wen kümmert es, wie lebendig sich ein Bogen anfühlt, wenn man damit wie mit einer Lenkwaffe trifft! Doch der Schütze war Jim und der kann’s eben. Wenn auch nicht gar so sensationell mit jedem Bogen.

Im Herbst 2015 war der Bogen dann vom Markt verschwunden und tauchte erst kürzlich wieder auf, jetzt als „Black Wolf“, mit einem noch höherem Preis. Die Flucht nach vorne, denn ich wollte meinen Buffalo, den ich einfach nicht richtig getunt bekam, umtauschen.

Black Wolf seitliche Justierschraube

Tiller- und seitliche Justierschrau-ben werden nit einer  Arretier-schraube gespreizt und geklemmt.

Black Wolf seitliche Justierung

Bei der seitlichen Justage ist die richtige Peilung wichtig. Auch erkennbar ist das weit über die Mitte ausgeschnittene Schussfenster

Beim Auspacken kommt zunächst eine schöne und kompakte Tasche zum Vorschein. Sie ist nicht ganz so stabil gearbeitet, wie es die Hoyt-Tasche war und hat auch keine eingebauten Fächer mit Gummi-schlaufen für die Wurfarme. Statt dessen ist sie weich und innen flauschig, die Wurfarme stecken in eigenen Futteralen und das Griffstück in einer separaten kleinen Tasche. Mit diesen kann man den Bogen auch z. B. geschützt im Rucksack mitnehmen, ohne die Tragetasche dabei zu haben. Als Beigaben finden sich eine Fastflight-Sehne, anders, als beim Buffalo als „Endless Loop“. Diese sind robuster, schießen sich aber angeblich auch härter, als der nachgie-bigere flämische Spleiß, den man jedoch versehentlich aufdrehen kann. Weiterhin liegt ein etwas dürftiges Heftchen bei, sowie eine Schachtel mit 4 Imbusschlüsseln und ein Tütchen mit einem Kunst-stoffteil und einer selbstklebenden Auflage, die aus der weichen Hälfte eines Klettverschlusses zu bestehen scheint. Im Vergleich zum Buffalo insgesamt recht dürftig, denn dort gab es auch noch eine hilfreiche DVD mit Fred Eichler, Sehnendämpfer, Aufkleber etc. Allerdings legt Hoyt offenbar neuerdings diesen Kit nicht mehr bei und man scheint dieses Zubehör nun zusätzlich kaufen zu müssen.

Win&Win eilt ein Ruf von kompromissloser Qualität voraus. In der Tat, das Finish des Voll-Carbon-Mittelteils sucht seinesgleichen. Die Wurfarme sind extrem sauber gearbeitet, wenn man mit dem Finger die Kanten entlang fährt, gibt es keinerlei rauhe Stellen oder Unregelmäßigkeiten. Umso mehr verwunderte es, dass sie in der ILF-Aufnahme des Mittelteils nicht sauber zentriert schienen. Kein Problem, denn bei diesen Aufnahmen ist die seitliche Lage der Wurf-arme justierbar. Also die Beiter-Clips aufgesteckt, die seitlichen Lockschrauben entfernt und die Ausrichtung nachjustiert. 

Ein besser einstellbares System habe ich noch nie gesehen! Wichtig dabei ist, dass man richtig peilt. Die Sehne muss in der Mitte der beiden Gewinde gesehen werden, in denen von vorne die Tiller-schrauben sitzen. Ich steckte beide Clips auf denselben Wurfarm und bewegte die Sehne eine Handbreit vom Sehnenauge seitlich, bis die Ausrichtung stimmt. Auf der Seite, zu der ich die Sehne hindrücken musste, löste ich die seitliche Einstellschraube und zog sie auf der gegenüberliegenden  an. Beim Kontern lässt man dann die Schraube, mit der man den Wurfarm seitlich bewegt hat, in Ruhe und zieht die andere Seite wieder fest. Passt alles noch, nachdem man den Bogen ein paar Male ausgezogen hat, schraubt man die Verriegelungsschrauben in die Einstellschrauben ein und zieht sie fest. Dadurch werden die Einstellschrauben aufgespreitzt und verklemmen sich im Gewinde. Eine sehr elegante und akkurate Lösung!

Später stellte sich dann heraus, dass ich mir die Mühe wahrscheinlich umsonst gemacht hatte, denn ich hatte die Wurfarme so eingesteckt, dass oben und unten das „Made in Korea“ richtig herum stand. Jedoch fand sich auf den Aufklebern ein kleines „upper“ and „lower“ und kurioserweise gehören sie offensichtlich gerade anders herum eingesteckt. Nun stimmte die seitliche Ausrichtung wieder nicht mehr - vermutlich war alles zuvor von Hand selektiert und justiert gewe-sen. Jedoch bedient man diesen tollen Mechanismus gerne ein zweites Mal!

Noch etwas veränderte ich aus Versehen: Den Tiller. Eigentlich wollte ich nur einmal sehen, wie die Tillerschrauben funktionieren, aber es raspelte beim Drehen der Schrauben, als sei Sand im Gewinde. In der Tat, als ich sie ganz heraus gedreht hatte, lag ein kleines Häufchen Metallspähne am Boden! Wo war da die sagenhafte Sorgfalt geblieben? Nach der Reinigung der Tillergewinde war dann aber alles in Ordnung.

Black Wolf seitliche Justierung

Die nächste Überraschung kam beim ersten Auszug. Hatte ich gedacht, der Buffalo sei das Ideal, so wurde ich nun eines Besseren belehrt. Eigentlich hatte ich die objektive Bestätigung dafür bereits in der Email von Harry Wittig von TDH-Bogensport erhalten: Ich hatte ein Zuggewicht um die 50 Pfund bei 31 ½“ bestellt und er fragte an, ob  51 ½ Pfund in Ordnung seien, die er mit  45# Wurfarmen gemes-sen hatte. Erst jetzt wurde mir die wirkliche Bedeutung dessen klar! 

Was ist ein „weicher Auszug“? Nichts anderes, als einer, bei dem das Zuggewicht möglichst linear mit dem Auszug ansteigt. Den 62“ langen Hoyt Buffalo hatte ich in München ja ausgiebig getestet und zwar mit originalen 45# Wurfarmen, mit denen ich bei meinem Auszug gemes-sene 56# auf den Fingern hatte. Bei beiden Bögen hatte ich also bei 28“ die gleichen 45 Pfund auf den Fingern, doch bei den darauf folgenden 3 ½ Zoll bis zu meinem Anker stieg das Gewicht beim Buffalo um 11 Pfund auf 56#, beim Black Wolf nur um 6 ½# auf 51 ½ Pfund. Dazwischen liegen gefühlte Welten! Wer wissen möchte, was ein weicher Auszug ist, der nehme einen Black Wolf in die Hand. 

Black Wolf Shelf Form

Das Shelf ist nicht sehr hoch verrundet.

Das Griffstück weist einen schön gearbeiteten Holzgriff auf, der im Bereich des Handballens deutlich breiter ist, als der des Buffalo. Auch wird die Hand mehr geführt, hin zu einem geraden Handgelenk. Ursprünglich dachte ich, den schmalen Griffe des Buffalo zu bevor-zugen, habe meine Meinung aber schon am ersten Nachmittag mit dem Bogen geändert: Der Griff ist mir sehr, sehr angenehm! Mit dem Bogen hat man bei weitem nicht so viel Gewicht in der Hand, wie beim Buffalo - und doch hat man ein festes, kompaktes Gefühl, wenn man ihn hält und schießt. Über dem Shelf findet sich ein Gewinde für Pfeilauflage und Button. Die ersten Schüsse probierte ich mit einer geklebten Hoyt Super Rest - und scheiterte kläglich. Das Schussfen-ster ist sehr weit über die Bogenmitte ausgeschnitten, der Pfeil zeigte nach rechts und verzog fürchterlich. Klebt man das beigefügte Formteil mit dem doppelseitigen Klebeband ein, so verdeckt man das Gewinde und doppelt das Schussfenster ordentlich auf. Immer noch nicht genug, wie ein paar weitere Schüsse zeigten. Erst, nachdem ich zusätzlich einen Filzstreifen aufgeklebt hatte, begann die Pfeilspitze links der Sehne herauszuspitzen, wenn man diese geradeaus von hinten anvisierte.

Black Wolf Griff

Das aufgeklebte Formteil verdeckt das Gewinde für den Button.

Anfangs irritiert, fand ich das Konzept aber gar nicht so übel, bei dem das Griffstück lieber zu weit, als zu wenig aus dem Weg geschnitten ist. Das findet sich auch beim Shelf wieder. Der Buffalo hat ein deutlich höher verrundetes Shelf. Eigentlich möchte man das auch, um die Kontaktfläche zum Pfeil zu reduzieren. Aber eine Rundung, die fest im Shelf eingearbeitet ist, lässt sich nicht mehr anpassen. Beim Black Wolf ist das Shelf wesentlich flacher verrundet und liegt dafür ganz dicht über dem Handrücken. Jetzt kann man wählen, wo und wie dick man das Shelf beklebt. Momentan habe ich einen relativ schmalen Filzstreifen aufs Shelf geklebt, der direkt über der tiefsten Einziehung am Griff sitzt und das scheint prima zu funktionieren. 

Für den Bogen wird eine recht geringe Standhöhe von 7-7 ½“ empfohlen. Vor allem im unteren Bereich möchte man da auf einen Armschutz nicht verzichten!

Beim Einschießen lernt man dann die leichte Einstellbarkeit des Tillers schätzen. Man braucht nur einen Imbusschlüssel, löst die Klemmschraube hinten und verdreht die Tillerschraube bei gespanntem Bogen. Im Gegensatz zu Hoyt warnt einen Win&Win allerdings nicht davor, die Tillerschrauben zu weit herauszudrehen. Hoyt möchte, dass mindestens 3 Gewindegänge greifen, damit einem die Schraube nicht plötzlich um die Ohren fliegt und darauf sollte man auch beim Black Wolf tunlichst achten! Insgesamt können die Tillerschrauben um 10 ½ Umdrehungen eingedreht werden, bis sie am Anschlag sind. Dreht man sie auf eine größere Deflex-Einstellung heraus, geben die Wurfarme ein unschönes krächzendes Geräusch von sich, weil sie mit der Kante an der Schraube schaben. 

Insgesamt ist das Formula System des Buffalo beim Einstecken der Wurfarme leichter bedienbar. Beim Black Wolf muss man den Schwalbenschwanz genau einfädeln, sonst rutscht er über die Nut und dann ist der Wurfarm nicht verankert. Versucht man so, den Bogen zu spannen, würde er wohl beschädigt. Beim Buffalo ist die Tillerschraube mit einer Madenschraube gekontert, die im gleichen Gewinde einfach von hinten gegen die Tillerschraube gedreht wird. Möchte man diese weiter anziehen, so muss man zuvor diese Konterschraube weit genug zurück gedreht haben, sonst meint man fälschlicherweise, den Anschlag erreicht zu haben. Die Festklemmung der Tillerschraube mit einer Spreitzschraube ist da etwas angenehmer zu bedienen. Allerdings sollte man hier nach dem Abspannen des Bogens prüfen, ob die Tillerschrauben auch wirklich fest verklemmt sind, wenn keine Last mehr darauf ist.

Sicher kann Carbon Druckstellen entwickeln, wenn einem der Bogen z. B. auf steinigen Boden fällt. Ich habe jedoch etliche Pfeile direkt über das unbeklebte Shelf geschossen und konnte die so entstandenen Spuren einfach abwischen. Der Buffalo war mit einer Art Schrumpflack beschichtet, der sehr empfindlich war. Auf Dauer lassen sich da Kratzer und Abschabungen kaum vermeiden und besonders an den Kanten wird irgendwann das  Aluminium blank. Die Carbon-Oberfläche beim Black Wolf schätze ich im Vergleich als widerstandsfähiger ein.

Ist der Bogen im Groben richtig eingestellt, wird er sehr leise. Ich war relativ schnell in der Lage, das Anschlagen des Pfeils auf dem Shelf in den Griff zu bekommen, das mich beim Buffalo zur Verzweiflung getrieben hatte. Es ist dies wohl der Fluch der langen Schäfte, die mit einem großen Auszug einher gehen und wahrscheinlich können sich Leute, die ihre Pfeile auf 28 oder 29“ kürzen, gar nicht vorstellen, wie es zu so einem Problem kommen soll. Zwar ist das Feintuning noch nicht abgeschlossen, aber mit einem Tiller von 2 mm und einer Nockpunktüber-höhung von (nur) 2 mm fliegen die Pfeile schon ganz ordentlich. Dabei hat der Bogen ordentlich Dampf, denn meine 400-er Rohschäfte segeln nach rechts und scheinen auch mit leichteren Spitzen noch etwas zu weich.

Fazit: Ein teuerer, aber sehr gut tunbarer, leichter Bogen mit hervorragendem Auszugs- und Schussverhalten.



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