Mit einem dezenten „Twang“ verlässt der Pfeil meinen Super Slick Stick, folgt wie an der Schnur gezogen meiner Blickrichtung und schlägt auf dem Punkt in der Scheibe ein, auf den ich mich konzentriert habe. Ein erhebendes Gefühl!
Ein Loch in meinem Garagentor und ein zweites noch weiter daneben, im Putz der Garagenwand, zeugt allerdings davon, dass das gestern noch ganz anders war! Ja, ich steige nach fast 4 Jahren Pause gerade wieder in das Bogenschießen ein – zum dritten Mal in meinem Leben. Das erste Mal ist gut 20 Jahre her, mit einem olympischen Bogen mit Visier und aller Technik. Eigentlich sollte es meinen Buben zuliebe sein, aber die hatten schnell die Lust am disziplinierten Schießen verloren und ich war allein stecken geblieben, fasziniert von der interessanten Kombination aus Technik und Körperbeherrschung. Jedoch fehlte mir die Zeit, um dem regelmäßig nachzugehen und so fiel dieses Hobby meiner Arbeit zum Opfer, bis vor etwa 5 Jahren mein jüngster Sohn anfing, vom instinktiven Bogenschießen zu reden.
Klar, gerne! Und so fand ich mich mit meinem langen olympischen Recurve an einem Sonntagnachmittag in der Halle eines anderen Vereins wieder. Diesmal saßen 12 Meter vor mir größere und kleinere Gummitiere als Ziel, aber der Hallenwart hatte mir freundlicherweise auch eine Zielscheibe hingestellt. Ich hatte mein Visier und all den technischen Kram von meinem Bogen abgebaut und versuchte mich an irgendetwas zu erinnern, was damals so wichtig gewesen war. „Einfach mal probieren!“, kam der Zuspruch. Also gut.
Sekunden später war der erste Pfeil hinüber, zersplittert am Scheibenständer. Auf 10 Meter nicht einmal die Scheibe getroffen, wo ich mir früher Gedanken um das Trefferbild bei 70 m gemacht hatte! Ja, aller Anfang ist schwer!
1. Welchen Bogen sollte man sich als Einsteiger kaufen?
Keinen! Geben Sie Ihr Geld lieber für eine Mitgliedschaft im nächsten Verein aus und schießen Sie zunächst mit einem Vereinsbogen. Im Verein gibt es obendrein Leute, die wissen, in welcher Standhöhe man den Bogen einstellt, wo der Nockpunkt sein muss und welchen Spine die Pfeile haben sollten.
2. Welches Zuggewicht sollte mein erster Bogen haben?
Lieber zu wenig als zu viel! Gerade bei Männern steht hier schnell das Ego im Weg. Man begeistert sich, liest viel und die Fantasie geht einem durch. Schnell sieht man sich als englischer Langbogenschütze einen 150-Pfund-Bogen ausziehen. Was, mit einem Fünftel davon soll man schießen, man ist doch kein Weichei!
Man will auch älter werden, als 30 oder 40 Jahre. Man ist kein mittelalterlicher walisischer Langbogenschütze, der von Kindheit mit Bögen trainiert hat, breit wie ein Schrank ist und hoffnungslos ungebildet. Man muss das, was man nicht im Rücken hat, mit dem ersetzen, was man in der Birne hat! Und das tut man, indem man sich auf das Erlernen einer guten Schusstechnik konzentriert, statt auf Macho Gehabe. Eine gute Schusstechnik kann man wiederum nicht lernen, wenn man die Sehne beim Ausziehen schon kaum noch halten kann. Intuitiv schießen heißt, dass man die Sehne kontrolliert loslässt, weil einem das Gefühl oder das Unterbewusstsein sagt, dass man treffen wird und nicht, weil man die Sehne nicht länger halten kann!
3. Den Bogen ausziehen
Eigentlich geht es mit dem Hinstellen los: Man fasst das Ziel ins Auge und denkt sich eine Linie, die mitten hineinführt. Auf diese Linie stellt man sich mit beiden Füßen. Jetzt streckt man den Bogenarm gerade aus und zeigt ihn aufs Ziel. Dann greift man die Sehne, ein Finger über und zwei unter dem Pfeil bzw. Nockpunkt. Man hebt den Ellenbogen auf die gleiche Höhe und spielt ein bisschen mit den Fingern auf der Sehne, bis man sie vor allem am Zeige- und Mittelfinger gleich stark spürt. Auch sollte ein kleiner Spalt zwischen den Fingern und dem Pfeil sein, denn beim Ausziehen knickt die Sehne um die Finger ab und bildet einen Winkel. Und der soll einem nicht die Finger auf den Pfeil pressen, was das Risiko beträchtlich erhöhen würde, dass man dem Pfeil beim Losladden einen Schubser geben würde.
Hat man die Finger richtig auf der Sehne positioniert und eingestellt, lässt man den ganzen Arm abschlaffen, während die Schulter die Zugspannung übernimmt – nur die Haken der Finger um die Sehne bleiben fest. Ausgezogen wird der Bogen mit den Schultern, bzw. dem Rücken, der jetzt die Schulterblätter zusammenzieht bis der Daumenknöchel am Mundwinkel liegt. Das nennt man auch „Anker“ und wenn nötig, kann man sich später noch einen besseren suchen, z. B. den Daumennagel oder den Zeigefinger
Und jetzt zählt man ruhig bis 10.
Könnte man locker weiter zählen, so kann man einen kräftigeren Bogen nehmen. Kämpft man schon nach den ersten Sekunden gegen die Sehne, so zieht man mehr als gut ist – so einfach ist das!
Man sollte gar nicht so versessen darauf sein, gleich Pfeile zu schießen, sondern einmal dieses Gefühl der Kraft im Bogen verinnerlichen, die ja den Pfeilflug erzeugen soll. Und dabei ist extrem wichtig, dass der Ellenbogen das passive Handgelenk geradezieht, der Ellenbogen aber selbst passiv von der Schulter nach hinten gezogen wird. Die Finger bleiben passive Haken, die allerdings die Sehne spüren und mir mitteilen, wenn ich mit ihnen beim Ausziehen doch wieder an der Sehne herumdrücke, oder wenn sie von der Sehne auf die Pfeilnocke gepresst werden. Beides würde den Pfeilflug radikal beeinflussen!
All das ist bei der Armbrust durch Technik gelöst und deswegen wurde sie auch über lange Zeit von ausgebildeten Bogenschützen verschmäht und denen in die Hand gedrückt, die keine Kunstfertigkeit mit dem Bogen erlernt hatten. Zum Bogenschießen gehört schon etwas mehr und das nötige Gefühl dafür hat man sich nicht in ein paar Minuten angeeignet!
4. Walk back: Die ersten Schüsse
Damals in der Halle hatte ich mit meinem allerersten Schuss gleich einen relativ teuren Pfeil zerstört, das wollte ich nicht unbedingt mit meinen restlichen Pfeilen im Köcher wiederholen. Das Problem war, dass ich keinerlei Referenz dafür hatte, wie ich ohne Visier zielen sollte. Zum Glück hatte ich die Halle für mich allein und der Hallenwart hatte nichts gegen meine Experimente. Also stellte ich mich direkt an die Scheibe. Von hier aus kann ich den Pfeil auf jeden Fall genau ins Zentrum schießen. Schritt für Schritt ging ich zurück und zog den Bogen aus, bis ich mir nicht mehr ganz sicher war, wohin der Pfeil gehen würde. Dabei brach ich mit der Regel des immer gleichen Auszugs und Anker, aber es war niemand da, der mich dafür schimpfen konnte. Die Idee war einfach, den Pfeil auf jeden Fall genau auf den Punkt zu schießen, möglichst immer wieder ins gleiche Loch, egal wie!
Nach einer Weile konnte ich damals auf 10 m befriedigend enge Gruppen schießen und definitiv wird eine gleichbleibende Form mit wachsender Distanz immer wichtiger, weil man z. B. Variationen im Auszug oder Anker ab einer Distanz von wenigen Metern nicht mehr intuitiv ausgleichen kann. Je größer aber die Distanz, umso dramatischer wirken sich auch kleine Fehler aus. Und das kann draußen auf dem Parcours Pfeile kosten, teuer werden und macht außerdem überhaupt keinen Spaß!
Dieses Spiel, das ich „Walk back“ nenne, hat auch gestern im Anschluss an die Beschädigung meiner Garage wieder geholfen. Außerdem habe ich die Standhöhe durch Eindrehen der Sehne wieder auf die empfohlenen 7 ¼“ erhöht. Eine niedrige Standhöhe macht den Bogen schneller, aber nervös, sodass kleine Fehler große Auswirkungen haben. Mit eine größere Standhöhe wird der Bogen etwas langsamer, verzeiht aber Fehler mehr. Bei einer zu niedrigen Standhöhe lässt sich der Bogen nicht mehr leise schießen, weil der Pfeilschaft anschlägt, wenn er zu nahe mittig auf den Bogen zugeführt wird.
Wie gut sollte man schießen können?
Natürlich ist diese Frage dumm, aber so ähnlich wird sie einem wohl irgendwann durch den Kopf gehen, vor allem, wenn man sich darum sorgt, wie man im Vergleich zu Anderen steht, ob man sich genieren muss usw. Wenn es einem gelingt, 5 Pfeile auf 15 Meter so auf der Scheibe zu gruppieren, dass sie nicht weiter auseinanderliegen, als etwa der Umfang eines Basketballs, ist das noch kein Grund zum Angeben. Mit einiger Übung lässt sich die Gruppe dann verkleinern, etwa auf den Umfang eines Volleyballs, aber auch das ist noch lange kein Grund zur Prahlerei! Gute Schützen streben eine Gruppe im Bereich des Umfang eines Tennisballs an. Aber sie prahlen nicht damit, denn wer es drauf hat, hat das nicht nötig! Ausreißer sollten dabei immer seltener werden, aber nur wirklich gute Schützen können sie so weit vermeiden, dass von 10 Pfeilen höchstens einer außerhalb der beabsichtigten Gruppierung liegt.
Bei mir ist der eingangs geschilderte Schuss momentan noch eher die Ausnahme als die Regel und Ausreißer fliegen allesamt nach links. Das ist ein Hinweis auf ein oft noch zu schlampiges Lösen der Sehne, zumindest, solange das nicht das generelle Schussbild betrifft, sondern nur die Ausreißer. Wenn alle Pfeile nach links gehen, sind sie möglicherweise zu steif für den Bogen. Ich zupfe hingegen noch gelegentlich und nehme die Sehne beim Loslassen seitwärts etwas mit – und schon folgt der Pfeil überhaupt nicht mehr meiner Blickrichtung, sondern führt ein Eigenleben nach links. Keineswegs darf ich jetzt nach rechts vorhalten, um den schlechten Ablass auszugleichen, denn es ist besser, einen Fehler erst gar nicht zu machen, als ihn mit einem zweiten auszugleichen! Ja, das richtige Loslassen will geübt sein und ist gar nicht so einfach!
Mir hilft es, wenn ich nur auf ganz wenige aber wesentliche Dinge achte: Mein Anker ist mit dem rechten Zeigefinger, der ja auch am Halten der Sehne beteiligt ist, am rechten Mundwinkel und ich ziehe meine Schulterblätten zusammen, bis er immer wieder genau an der gleichen Stelle zu liegen kommt, wobei ich im Handgelenk dabei gerne eine leichte Dehnung spüre, die mir zeigt, dass da auch wirklich nichts angespannt ist. Beim Loslassen der Sehne darf dieser Kontakt zum Mundwinkel nicht verloren gehen, sonst ist das nächste Loch in meinem Garagentor nur eine Frage der Zeit. Die Sehne schieße ich dann quasi aus dem Mundwinkel heraus ab. Im Moment des Schusses brauche ich einen Gedanken, einen Fokus und einen ansonsten leeren Kopf, der jetzt nicht an 20 Sachen denkt und mich davon ablenkt, mein Ziel zu treffen! Der eine Gedanke betrifft typischerweise etwas, das dabei hilft, meinen gegenwärtigen Kardinalfehler auszuschalten und kann sich mit der Zeit auf etwas anderes verlagern, wenn ein anderer Fehler wichtiger wird.
Meinen Black Wolf lasse ich erst einmal noch hängen. Da gibt es gar zu viel einzustellen und das klappt nicht, solange ich unzuverlässig schieße. Je älter ich werde, desto mehr wird mir klar, dass man sich nicht von einer schlechten Form loskaufen kann, indem man immer mehr Geld für Material ausgibt. Naja, mein Super Slick Stick wurde mir von Henry Bodnik auch nicht gerade geschenkt, aber die Geschichte war ganz interessant: Ich war zu Bodnik gefahren, hatte eine ganze Reihe von Bögen geschossen und mir dann einen Slick Stick mit dazu passenden Pfeilen gekauft. Am Tag darauf klingelte bei mir das Telefon: Die Dame, die mir den Bogen verkauft hatte, teilte mir mit, dass ich diesen wieder zurückbringen solle. Henry habe am Abend die Verkäufe durchgesehen und war dabei auf meinen 58“ Slick Stick gestossen, bei meinem Auszug von 31,5“. Das habe sie eine Schelte gekostet und man werde mir jetzt einen 62“ Super Slick Stick mit 40# bei 31,5“ bauen, zum Sonderpreis, aber ein paar Scheine müsse ich leider trotzdem noch drauflegen.
Und in der Tat, dieser superleichte Bogen passt zu mir. Da hat sich ein erfahrener Bogner den Kopf um Stacking, Tiller und all diese Dinge gemacht, sodass ich mich ganz auf das Schießen konzentrieren kann. Wenn nichts mehr geht, weil ich mich vielleicht künftig wieder einmal mit den Einstellungen an meinem Black Wolf verzettelt habe, kann ich immer wieder zu diesem „Bodnik-Stecken" zurückkommen und das Schießen selbst wieder damit lernen. Klar, das aggressive „Swisch“ beim Loslassen des Black Wolf und die wuchtigen Pfeileinschläge unmittelbar darauf haben auch etwas für sich, aber erst einmal muss ich zurück zu einer konstanten Form gefunden haben, die ein solcher Bogen braucht und auch verdient. Mein federleichter Stecken aus Bambuslaminat hat kaum Massenträgheit und bringt so Schießfehler klar zum Ausdruck, sodass ich sie der Reihe nach abstellen kann. Und sobald Standhöhe und Nockpunkt einmal richtig eingestellt sind, weiß ich, dass es nicht am Bogen liegen kann, wenn ich unzuverlässig schieße.