Joggen ist ein Volkssport. Viele Jogger ziehen sich beim Laufen aber Verletzungen zu, die sie an der Ausführung dieses Sportes hindern. Die Art und Weise, in der wir heute laufen, kommt dabei mehr und mehr ins Gerede. Wo kommt sie eigentlich her?
Ein Sportschuh hatte ursprünglich lediglich die Aufgabe, den Fuß vor Verletzungen durch den Untergrund zu schützen und dabei dessen Bewegung so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Ein vielleicht weniger bekanntes Detail über Jesse Owens ist, dass ihm ein damals kaum bekannter Sportschuster mit Namen Adi Dassler zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin ein Paar Sprintschuhe fertigte, mit denen er unter den nicht gerade wohlwollenden Augen der nationalsozialistischen Führung die arische Elite auf ihre Plätze verwies und am Schluss mit 4 Goldmedallien zum erfolgreichsten Sportler dieser Spiele wurde. Die Geschichte findet man auf den Seiten der Daily Mail beschrieben und auch die Schuhe sind abgebildet, wobei einem sofort das dünne geschmeidige Oberleder, die flache Sohle und die langen Spikes ins Auge stechen. Sprinten war offenbar schon immer ein Vorfußlauf - wie sieht es bei längeren Distanzen aus?
Bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom war Adidas der Schuhsponsor. Abebe Bikila wurde erst im letzten Moment von Äthiopien als Marathonläufer nominiert. Er konnte unter den zur Verfügung gestellten Schuhen nichts Passendes finden und beschloss kurzerhand, den Marathon barfuß zu laufen, so, wie er sich auch darauf vorbereitet hatte. Auf den historischen Aufnahmen kommt er erst nach 3 Minuten richtig ins Bild, da er als Außenseiter zunächst kaum Beachtung fand. Mit 2:15:16 sollte er einen neuen Marathon Rekord aufstellen - barfuß und als erster olympischer Goldmedalliensieger Afrikas!
Immer wieder zoomt die Kamera auf Bikilas Füße und kann man auch gute Blicke auf die Schuhe anderer Läufer erhaschen: alle dünn, leicht und mit flachen Sohlen – weder barfuß, noch ohne Fersenpolster macht es Spass, beim Laufen auf der Ferse zu landen, wie kam es also zu diesem Laufstil?
In Christopher McDougalls Buch „Born to Run“ findet sich dazu eine erstaunliche Geschichte. Frei übersetzt und zusammengefasst aus dem englischen Original lautet sie etwa so:
Bill Bowerman, einer der Gründer der Firma Nike, besuchte 1962 Arthur Lydiard, den „Vater des Fitness Laufes“, in Neuseeland. Beim Sonntagslauf konnte er zwar mangels Kondition nicht mit den zumeist viel älteren Herzinfarktpatienten, die Lydiard betreute, mithalten, aber als College Trainer und Bastler begeisterte er sich dennoch für das Thema und schrieb nach seiner Rückkehr in die USA das Buch „Jogging“, während er in seinem Keller Keile aus Moosgummi mit Sohlen verschmolz und so mit Dämpfungen experimentierte. Später ging daraus der legendäre Nike Cortez hervor. Der Trick dabei war, dass Bowerman in seinem Bestseller-Buch einen Laufstil beschrieb, der nur mit diesem neuen Schuh möglich war. Der Fersenlauf war geboren, bei dem man dachte, durch die Vergrößerung der Schrittlänge effizienter laufen zu können, indem man ein gutes Stück vor dem Körper auf den gedämpften Schuhabsätzen aufkam. Mit dem Cortez hatte Nike bis 1972 eine Monopolstellung, jedoch setzte in der Folge eine immer heftigere Konkurrenz zwischen den Sportschuh Herstellern ein, bei der neben der Dämpfung bei der Fersenlandung das Abrollen des Fußes immer enger kontrolliert wurde.
Während die Liste der technischen Innovationen bei Laufschuhen immer länger wurde, verringerte sich die Zahl der Verletzungen durch das Laufen aber nicht, sie stieg im Gegenteil kontinuierlich an. McDougall bringt in seinem Buch ein Beispiel nach dem anderen, das darauf hindeutet, dass die ausgefeiltesten Laufschuhe Verletzungen durch das Laufen wahrscheinlich gerade nicht verhindern, weil sie dem Fuß immer mehr Arbeit abnehmen und ihn so immobilisieren, wodurch dieser muskulär schlechter stabilisiert wird und sich ein schlampiger Laufstil ausbildet, der wesentlich höhere Belastungen auf Knie, Hüftgelenke und den Rücken überträgt. Einiges weist auch darauf hin, dass billige, weniger gedämpfte Schuhe und alte Schuhe, bei denen die Dämpfung durchgetreten ist, nicht mehr Verletzungen hervorrufen, sondern deutlich weniger!
Heute bieten alle Hersteller wieder Schuhe an, die denen vor dem Nike Cortez ähneln, indem sie leicht, flexibel und mehr oder weniger ungedämpft sind. Man nennt sie „Minimalschuhe“, oder „Barfußschuhe“ und sie sind freilich nicht billiger geworden, weil man all die Dämpfungs- und Kontrollsysteme nun wieder weglässt, sondern noch teuerer.